Mit Heterogenität umgehen
Lehrkräfte aller Schularten berichten über eine zunehmende Heterogenität in ihren Klassen. Die Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich nicht nur bezüglich ihrer Lernausgangslagen, Interessen und Lernstile, sondern auch bezüglich ihres kulturellen Hintergrundes und ihres Verhaltens.
Darauf hatte das Pädagogische Landesinstitut Rheinland-Pfalz mit dem Projekt "Lernen in Vielfalt" reagiert. Die Projektphase ist inzwischen abgeschlossen. Das entstandene Basiskonzept und die Materialien wurden vom Arbeitsbereich Heterogenität weiterentwickelt.
Ziel ist es, den Lehrkräften Vorgehensweisen anzubieten, die im Unterrichtsalltag und unter den gegebenen Rahmenbedingungen umsetzbar sind. Dazu wurden die Verfahren von Lehrkräften, die mit einigen Stunden an das Pädagogische Landesinstitut abgeordnet sind, erprobt. Die so entstandenen Fortbildungsmodule wurden inzwischen als Fortbildungsangebote des Pädagogischen Landesinstitutes - unter anderem in einer Fortbildungsreihe - und in schulinternen Veranstaltungen eingesetzt, evaluiert und fortlaufend optimiert.
Da es sich in der Praxis gezeigt hat, dass es nicht reicht, den Lernenden einfach nur differenzierende Aufgaben zur Verfügung zu stellen, wurde ein umfassendes Gesamtkonzept entwickelt.
Mit Heterogenität umgehen ist nur dann für Lehrkräfte im Regelunterricht machbar, wenn die Schülerinnen und Schüler eigenständig arbeiten können und letztlich zu Experten und Gestaltern des eigenen Lernens werden. Dies ist aber ohnehin eines der wichtigsten Ziele von Schule.
Dazu brauchen sie Lehrkräfte, die auf der Grundlage einer wertschätzenden Haltung ihren Unterricht mit den Augen des Schülers/der Schülerin planen. Lernende sind sehr viel eher bereit, Instruktionen und Rat von Lehrkräften anzunehmen, wenn sie sich wertgeschätzt fühlen. Dazu gehört es, bei der Unterrichtsplanung nicht nur den Lehrplan, sondern auch die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen.
Lehrerinnen und Lehrer gestalten die Lernbeziehungen, indem sie durch wertschätzende Kommunikation eine Bindung zu ihren Schülerinnen und Schülern aufbauen. Gleichzeitig geben sie Struktur und damit Sicherheit, durch das Einführen und Anwenden von Ritualen, Routinen und Regeln. Gestalten von Lernbeziehungen ist die Basis für die Umsetzung der weiteren Module. Eine Ursache von Unterrichtsstörungen kann aber auch die fehlende Passung des Lehrangebots für den einzelnen Lernenden sein. Dabei führt Unterforderung zu den gleichen Symptomen wie Überforderung.
Daraus ergibt sich das Ziel, den einzelnen Schüler/die einzelne Schülerin in den Blick zu nehmen und die Lernangebote zu differenzieren. Dies wird ermöglicht, indem den Schülerinnen und Schülern Wahlmöglichkeiten angeboten werden. Damit die Lernenden eine bewusste Auswahl treffen können, ist es sinnvoll, eine Übersicht über die Lerninhalte im Voraus zu geben. Außerdem benötigen die Schülerinnen und Schüler Anleitung, um sich selbst richtig einzuschätzen, damit sie die für sie passenden Angebote auswählen können.
Es gibt verschiedene Verfahren Lernende kognitiv zu aktivieren. Ein wissenschaftlich gut untersuchtes und einfach anzuwendendes Verfahren ist der Dreischritt des Kooperativen Lernen nach Norm und Kathy Green. Dieses Verfahren kann dazu genutzt werden, Lernende an selbstständiges Arbeiten und Arbeiten im Team heranzuführen. Es dient somit einem schrittweisen Kompetenzaufbau, der Individualisierung erst möglich macht.
Eine von Kriterien geleitete, gezielte Beobachtung und das Nutzen von Lernprodukten zur Diagnose helfen, den Lernstand und die Arbeitsweisen der einzelnen Schülerinnen und Schüler wahrzunehmen. Dies kann dann von der Lehrkraft genutzt werden, ihr Angebot an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen oder gezielte individuelle Förderangebote zu machen.
Schülerinnen und Schüler, die individuell arbeiten, benötigen Feedback, um ihren Lernweg immer wieder zu überprüfen. Noch wichtiger ist nach der Studie von John Hattie aber, dass „die Lernenden den Lehrenden Rückmeldung über ihr Lernen geben“ (Hattie, 2013, S. 206). Dies führt dann zu einem Dialog über das Lernen.
Alle fünf Module sind eng miteinander verzahnt und ergeben ein Gesamtkonzept. Einige der vorgestellten Maßnahmen können von einzelnen Lehrkräften in ihrem Unterricht umgesetzt werden. Da aber die Schülerinnen und Schüler an die auch für sie neuen Arbeitsweisen herangeführt werden müssen, sind unterstützende schulorganisatorische Rahmenbedingen und ein langfristig angelegter Schulentwicklungsprozess notwendig.
Kontakt:
Ursula Bicker, Pädagogisches Landesinstitut
Telefon 0671 9701-1644
ursula.bicker(at) pl.rlp.de
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