Diagnostizieren mit Aufgaben
„Aufgabenstellungen und Arbeitsaufträge sind in den meisten Fächern nicht nur Bestandteil einer jeden schriftlichen und mündlichen Leistungserhebung, sondern darüber hinaus prägender Gestaltungsfaktor des Unterrichts selbst sowie der Hausaufgaben. Daraus, wie erfolgreich und in welcher Weise Schüler Aufgaben in den verschiedenen unterrichtlichen Situationen bearbeiten, lassen sich diagnostische Informationen ableiten. Wie aussagekräftig diese sind, hängt maßgeblich von der Gestaltung der Aufgaben und der Art ihres Einsatzes ab. Davon abgesehen ist für die realistische Selbsteinschätzung des Schülers und für seine Lernmotivation die Art der Rückmeldung bzw. die Tatsache von besonderer Bedeutung, dass eine für ihn verständliche Rückmeldung erfolgt.
Informationen aus der Aufgabenbearbeitung gewinnen
Aufgaben können je nach Zielsetzung und Einbettung in den Unterricht vielfältige Gesichter haben. Unter diagnostischem Gesichtspunkt können Aufgaben bewusst so gestellt werden, dass sie Lehrkräften Auskunft über individuelle Stärken und Schwächen geben, indem sie die Gedanken, Vorstellungen und Lösungswege der Schüler sichtbar machen.
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Auch Aufgaben, die umfangreichere Eigenproduktionenverlangen (z. B. „Schreibe ausführlich auf, wie du bei … vorgehen würdest.“) und offene Aufgaben können der Lehrkraft mehr Einblick in Schülervorstellungen geben als kleinschrittige Routineaufgaben.
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Nicht nur Aufgaben während des Unterrichts oder in Hausaufgaben, sondern auch Aufgaben in Leistungserhebungen sind Quelle diagnostischer Information. Eine Sichtung und Analyse schriftlicher Schülerarbeiten, insbesondere von Leistungserhebungen, unter Fördergesichtspunkten ist – bei entsprechender Aufgabenstellung – in den meisten Fällen ohne größeren zusätzlichen Aufwand zu bewerkstelligen.
Rückmeldung zur Aufgabenbearbeitung geben
Lehrkräfte sind üblicherweise während eines nicht unerheblichen Teils ihrer Arbeitszeit mit Korrekturen von Leistungserhebungen befasst. Die dabei gewonnenen diagnostischen Erkenntnisse sollten möglichst transparent für ein Feedback an die Schüler genutzt werden, um geeignete Ansatzpunkte für die Weiterarbeit aufzuzeigen sowie zu weiterem Lernen anzuregen.
Ohne die im Fach Deutsch übliche Praxis, Aufsätze zeitaufwändig mit ausführlichen Anmerkungen zu versehen, auf andere Fächer übertragen zu wollen, können in vielen Fällen kurze Korrekturerläuterungen hilfreich sein. Diese sollten transparent machen, wo genau etwas falsch ist, und gleichzeitig positive Ansätze würdigen. Dies kann in freien Texten geschehen, Ökonomisch erscheint aber auch der Weg, den Schülern anhand von Rückmeldebögen mit vorformulierten Kategorien ergänzendes Feedback zu geben. Dabei sind die Korrekturkriterien den Schülern bekannt und werden vor der Textproduktion ausführlich erarbeitet.
Bei Fächern, in denen es bisher üblich ist, ausschließlich über Punkte und Noten Rückmeldung an den Schüler zu geben, ist außerdem zu überlegen, ob nicht gelegentliche Abschlusskommentierungen von Schülerleistungen sinnvoll sind. Dadurch erhalten Schüler Hilfestellung bei der richtigen Einschätzung, wie ihre Leistung zustande gekommen ist. Falschen Attribuierungsmustern für die Leistung (z. B. „Ich bin zu dumm für Mathematik“ statt „Ich habe zu wenig geübt“) wird entgegen gewirkt. Wünschenswert und stabilisierend für Schüler ist die Zuschreibung
eines Erfolgs auf (stabile gute) Fähigkeiten und auf Anstrengung bei der Vorbereitung und der Durchführung. Bei Misserfolg sollte der (variable) Aspekt der hier nicht ausreichenden Anstrengung oder der falschen Vorbereitung hervorgehoben werden. Ganz wesentlich ist hierbei, Lernverläufe anzusprechen (z. B. „Im Vergleich zur letzten Probe hast Du viel weniger Rechtschreibfehler.“), sich also in Kommentaren auf die individuelle Bezugsnorm zu beziehen.
Auch wenn Schüler häufig primär an der Note einer Leistungserhebung interessiertsind, bietet gerade die Art der Rückgabe und Besprechung von Leistungserhebungen die Möglichkeit, den Schülern individuelle Rückmeldungen über ihre Kompetenzen zu geben und Lerngelegenheiten zu schaffen.
Klassenübergreifende bzw. zentrale Leistungserhebungen
Neben den „normalen“ Leistungserhebungen leisten klassenübergreifende bzw. zentrale Leistungserhebungen einen Beitrag, um sich ein Bild über den Lernstand der Klasse und einzelner Schüler zu machen, und zwar unter objektivierten Bedingungen und mit der Möglichkeit zum Vergleich. Sie entlasten Lehrkräfte auch argumentativ.
So werden an vielen Grundschulen die Vergleichsarbeiten in Deutsch und Mathematik (VERA 3) meist sehr intensiv ausgewertet und besprochen.
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An den weiterführenden Schulen geben die Vergleichsarbeiten in der Jahrgangsstufe 8 (VERA 8) für Deutsch, Mathematik und Englisch Hinweise auf spezifische Stärken und Schwächen der Schüler, die als Ausgangspunkt für weitere diagnostische bzw. beratende Tätigkeiten genutzt werden können. Durch den Vergleich mit den landesweit erzielten Ergebnissen erhalten Lehrkräfte in ihren Förderaussagen zusätzliche Sicherheit, weil sie bei ihrer Einschätzung über die Grenzen der eigenen Klasse hinausblicken können. Bei der Interpretation statistischer Daten müssen allerdings Über- bzw. Fehlinterpretation ausgeschlossen werden, besonders wenn es um Vergleiche der Leistungen einzelner Schüler mit größeren Gruppen geht.
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Grundsätzlich gilt, dass eine Einordnung der Ergebnisse der Vergleichsarbeiten Beobachtungen aus dem Unterricht und Leistungserhebungen mit einbeziehen muss. Tendenzen, die im Unterricht erkennbar sind, können durch die Ergebnisse aus VERA bestätigt werden; umgekehrt ergeben sich aus der Analyse der Arbeiten häufig Vermutungen, die im täglichen Unterricht weiter verfolgt werden können.“
(aus: Pädagogisch diagnostizieren im Schulalltag. ISB München 2008, S. 11 - 14)
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Beispiele aus den Fächern
Fach | Gegenstand der Diagnose/Aufgabe | Jg.-stufe | Download |
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Deutsch | Schreibkompetenzen/ sachlicher Brief | 5 | ![]() |
Deutsch | Schreibkompetenzen/ Erlebniserzählung | 5 | ![]() |
Naturwissenschaften (Chemie) | Modellvorstellungen zur Atomhülle | 9 - 10 | ![]() |